Winter in früheren Zeiten
Der Glarus Winter ist eine ganz besondere Jahreszeit; in den Monaten Dezember, Januar und Februar fällt nämlich jedes Jahr viel Schnee. Beinahe über Nacht verwandelt sich das Glarner Grosstal in eine prachtvolle Winterlandschaft. In der eiskalten Luft flimmert und funkelt die weisse Decke, die sich sanft über alles gelegt hat. Eine wohltuende Stille, irgendwie mystisch und immer leuchtend; denn auchnachts sieht man dank des allgegenwärtigen Schnees deutlich die Berge und dazwischen kleine, warme Lichter durch die Fenster der umliegenden Häuser und mitten drin das Landvogthaus, das seine Gäste ganzjährig empfängt.
Die auf Anhieb vereinnahmende und zauberhafte Atmosphäre, wie es sich für einenedlen Landsitz gehört, strahlt das Herrschaftshaus aus dem frühen 16. Jahrhundert auch während der kälteren Jahreszeit aus. Die behagliche Wärme der Kachelöfen in den spätgotischen Stuben lädt ein, einen heissen Tee oder Kaffee zu trinken, dazu Zimtgebäck zu knabbern und sich in die Lektüre eines Buches aus der Hausbibliothek zu vertiefen. Es ist genau dieses Wohlfühlklima, was von den holzbeheizten Räumen ausgeht, das zahlreiche Gäste ebenfalls im Winter wie magisch ins Landvogthaus führt. Vielleicht ist aber auch ein Gespräch angesagt über frühere Zeiten und wie die Menschen damals die weniger hellen Monate in Glarus Winter erlebt haben.
So wie man heute gerne den Weg in abgelegene Gasthäuser auf sich nimmt, war es seinerzeit während der dunkleren Jahreszeit hingegen eher beschwerlich, von einer Ortschaft zur nächsten zu gelangen. Zu Fuss musste man durch gestampfte Schneepfade gehen, und nur der Landvogt fuhr dann mit seinem urchigen, riesigen Schlitten aus massivem Eisenerz, wie aus einem Märchen stammend, gezogen von Pferden aus edler Zucht. Deshalb war es für die Herren nicht zwingend notwendig, eine Unterkunft aufzusuchen; sie kehrten abends wieder heim. Die meisten Menschen blieben aber lieber zu Hause und sassen hinter dem wärmenden Kachelofen.
Rechtzeitig vor diesen frostigen Tagen haben die Bergtalbewohner Vorräte angelegt,Weizen, Roggen und Hafer in schwere Truhen geschüttet, eingemachtes Gemüse sowie Obst und Käse auf Regalen in den kühlen Gewölbekellern eingelagert undgetrocknetes oder geräuchertes Fleisch auf den Dachboden gebracht. Und nicht zuletzt musste auch genügend Brennholz aufgeschichtet sein in jenen tiefverschneiten Regionen. Das alles musste reichen bis zur nächsten Ernte für die ganze Familie und auch für die Mägde und Knechte, die alle unter dem grossen Satteldach des Landvogthauses lebten und ihren Platz fanden.
Am Tage haben sich wohl die meisten in der Küche oder der geheizten Stube aufgehalten, denn da war es immer warm. Die Möglichkeiten der Beleuchtung in der Nacht waren spärlich; glimmende Kienspäne oder Kerzen gaben nur wenig Licht,und so war es nachts in grossen Teilen des Hauses dunkel.
Die Winterzeit war die Zeit der Sagen und Märchen. Gespannt lauschend sassen die Bewohner des Hauses um den Erzähler, der wohlbehütet beim Kachelofen sass. Gar manche alte Magd kannte die spannendsten und schier unglaublichsten Geschichten, welche jung und alt in deren Bann zogen. Ähnlich verstand es wohl auch der Landvogt, von seinen beeindruckenden Reisen zu berichten und wie es z.B. anmutete in der damals noch exotisch wirkenden Stadt Lugano, wo dieser mit den mailändischen Herzögen dinierte oder davon, wie es an der Tagsatzung in Baden zu und her ging, wenn all die Landvögte aus der gesamten, alten Eidgenossenschaft zusammentrafen im Landvogteischloss an der Limmat unweit der berühmten Bäder aus römischer Zeit.
Bestimmt nahmen die Zuhörer all die Geschichten mit in ihr behagliches Gemachund kuschelten sich in ein weisses Leintuch in einem heimeligen Himmelbett. Oben in den Zimmern und Kammern des Landvogthauses war es kalt, und bloss ein Sack mit heissen Kirschensteinen half, das Bett schnell zu erwärmen und in einen wohligen Schlaf zu verfallen. Am nächsten Morgen waren auf allen Fenstern wunderbare Eisblumen zu sehen, aufgemalt von einer unbeobachteten Winterfee.
Unsere Gäste im Landvogthaus, die eine Zeit mit Glarus Winter gebucht haben, können beinahe authentisch erfahren, wie es sich in der kälteren Jahreszeit lebt, allerdings mit dem Komfort von heute.
Die damaligen Bewohner des altehrwürdigen Herrschaftshauses konnten sich wohl kaum vorstellen, dass ihr grosses Haus heute noch so gemütlich und voller Geschichten ist als eh und je.
Christian Behring, Miteigentümer
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